Dieser Beitrag basiert zum Teil auf Auszügen einer Studienarbeit zum Thema „Individuelles Körperorientiertes Coaching auf der Grundlage der Salutogenese“ an der Hochschule für Gesundheit & Sport, Technik & Kunst in Berlin. Es soll skizziert werden, inwiefern eine salutogenetische Betrachtungsweise eine Grundlage für spezifische Coaching-Ansätze darstellen kann.
Das Konzept der Salutogenese wurde in den 70er Jahren von dem israelisch-amerikanischen Medizinsoziologen und Stressforscher Aaron Antonovsky als komplementäres Konzept zur Pathogenese entwickelt. Antonovsky fragte nicht nach der Entstehung von Krankheit, sondern im Gegenteil danach, wie Gesundheit entsteht und aufrechterhalten wird. Ein ganz wesentlicher Punkt in seinem Konzept ist das Kohärenzgefühl (SOC – Sense Of Coherence). Dieses Kohärenzgefühl setzt sich nach Antonovsky aus drei Komponenten zusammen:
• Gefühl der Verstehbarkeit (sense of comprehensibility)
• Gefühl der Handhabbarkeit/Machbarkeit (sense of manageability)
• Gefühl der Sinnhaftigkeit und Bedeutsamkeit (sense of meaningfulness)
Ein Mensch mit einem stark ausgeprägten Kohärenzgefühl kann auf Herausforderungen flexibel reagieren und Ressourcen entsprechend der Situation aktivieren.
Weiter führt Antonovsky aus, dass die Komponenten des SOC zwar alle notwendig, aber nicht in gleichem Maße zentral sind. Die motivationale Komponente der Bedeutsamkeit scheint am wichtigsten zu sein. Ohne sie ist ein hohes Ausmaß an Verstehbarkeit und Handhabbarkeit wahrscheinlich von kurzer Dauer. Das bedeutet nicht, dass Handhabbarkeit unwichtig ist. Wenn man nicht glaubt, dass einem Ressourcen zur Verfügung stehen, sinkt die Bedeutsamkeit, und Copingbemühungen werden schwächer. Erfolgreiches Coping hängt daher vom SOC als Ganzem ab.
Salutogenese im Coaching
Das Konzept der Salutogenese bietet einen alternativen Rahmen für die Orientierung und Strukturierung im Coaching-Prozess. Im Rahmen der salutogenetischen Betrachtungsweise wird der Mensch in seiner Ganzheit gesehen und seine Individualität respektiert, auch mit seiner individuellen Sicht der Welt und der Abgrenzung und Auswahl von spezifischen Themen und Lebensbereichen, die jeweils für ihn sinnhaft und von Bedeutung sind. Die Orientierung erfolgt dabei an den jeweiligen individuell zur Verfügung stehenden Ressourcen, die mit dem Ziel einer Stärkung des Kohärenzgefühls reflektiert und weiterentwickelt werden können, was somit letztlich der Entwicklung der Gesamtgesundheit einer Person, hier des Klienten, dient.
Zu Beginn des Coaching ist es daher wichtig, das Anliegen eines Klienten zu erfassen und zu verstehen, wie er sich in seinem Lebenskontext wahrnimmt und welche Bedeutung sein Anliegen für ihn persönlich hat. Nimmt es einen bedeutenden Stellenwert in seinem Leben ein, so leidet sein Kohärenzgefühl. Die drei bereits erwähnten Komponenten des Kohärenzgefühls erweisen sich dabei als hilfreich für die Strukturierung und die individuelle Einordnung seines Anliegens.